Berufungszeugnis von Schwester M. Lucijane Goering
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. (Joh 15,16)
Ich komme aus der Lutherstadt Wittenberg. Dort gab es zwei Filialen der Schönstätter Marienschwestern: eine kleine Filiale mit den Schwestern, die in der Pfarrei tätig waren als Gemeindereferentin, Erzieherin, Krankenschwester und im Pfarrbüro, und eine große Schwesternfiliale mit vielen Schwestern, die in der Klinik Bosse, einer Frauen- und Entbindungsklinik, eingesetzt waren. In dieser Klinik sind meine fünf Geschwister und ich zur Welt gekommen. Der erste Mensch, der mich freundlich in dieser Welt begrüßte, war eine Schönstätter Marienschwester. Ich vermute, dass diese Schwester gleich für meine Berufung gebetet hat.
Es war für mich ein besonderes Erlebnis, als wir mit unserer Gemeindereferentin, einer Marienschwester, das erste Mal eine Mädchenfahrt nach Friedrichroda im Thüringer Wald gemacht haben. Das Schönstattheiligtum war das einzige auf dem Territorium der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Dieses Kapellchen hatte es mir angetan. Ich fühlte mich dort gleich zuhause.
Ich habe das Liebesbündnis mit der Gottesmutter geschlossen
Später bin ich dann öfter mit meiner Freundin zu Mädchentagungen und Exerzitien nach Friedrichroda gefahren. Ich habe das Liebesbündnis mit der Gottesmutter geschlossen, als Jugendliche meine Marienweihe abgelegt und mich aktiv in der Schönstattmädchenjugend engagiert. Das Ideal, Maria ähnlich zu werden und Christus in die Welt zu tragen, hatte es mir angetan und darum auch mein Leben bestimmt. Es gab mir Kraft, mutig zu meinem Glauben und zu christlichen Werten zu stehen und diese zu bezeugen, also auch keine falschen Kompromisse einzugehen, wie z. B. die Teilnahme an der so genannten „Jugendweihe“ – einem Bekenntnis zur DDR und ihrer Ideologie. In den Zeiten der DDR hatte es schwerwiegende Folgen für berufliche Ausbildungsmöglichkeiten, wenn man diese Teilnahme verweigerte. Ich war stolz, katholisch zu sein.
In vielen Bereichen unserer Gemeinde konnte ich mich engagieren. Nach der Schulzeit begann ich eine Ausbildung zur Säuglings- und Kinderkrankenschwester im Katholischen “Barbarakrankenhaus“ in Halle.
In diese Zeit fiel die Einkleidung meiner drei Jahre älteren Schwester als Schwester M. Therese bei den Schönstätter Marienschwestern in Friedrichroda. Nach der eindrucksvollen und schönen Einkleidungsfeier fragte ich meine Eltern, ob sie einen solchen schönen Tag im kommenden Jahr noch einmal erleben möchten. Sie wollten nicht, das heißt, noch nicht schon im nächsten Jahr. Ich sollte meine Ausbildung erst zu Ende machen. Das war dann auch mein innerer Kampf.
Zum einen wollte ich ja auch gern die Ausbildung zu Ende machen, zum anderen fühlte ich in mir auch eine Sehnsucht, mein Leben jetzt schon dem lieben Gott zu schenken. Dazu kam, dass sich meine Freundin bereits für das kommende Postulat angemeldet hatte. In dieser Zeit erzählte mir ein Priester von einer schwierigen Entscheidung, die Pater Josef Kentenich, der Vater und Gründer der internationalen Schönstattbewegung, im Koblenzer Gefängnis treffen musste. Er entschied sich in Freiheit für den schwereren Weg, weil er darin den Willen Gottes erkannte.
So wie die Gottesmutter wollte auch er sein Fiat zum Willen Gottes sagen. – Ich bat Pater Kentenich, mir zu helfen.
Ich habe mich dann ganz frei und froh für das nächste Postulat angemeldet. Der liebe Gott hat sich an Großmut nicht übertreffen lassen.
Ich durfte erleben, dass – ähnlich wie auf das Fiat der Gottesmutter – der liebe Gott auf das Ja eines Menschen hin Heil wirkt und Segen schenkt.
Meine Eltern hatten dann also doch die Freude, im nächsten Jahr wieder eine Einkleidungsfeier in Friedrichroda mitfeiern zu können. Und sie haben sich auch wirklich gefreut. Sie hätten nie eines ihrer Kinder dem lieben Gott vorenthalten. Dafür und für ihre Treue bin ich meinen Eltern sehr dankbar.
Ich möchte weitergeben, was auch mir geschenkt worden ist
Ich habe eine neue Familie bekommen, in der ich mich getragen und geborgen weiß; in der ich meinen Platz habe. Ich darf und durfte mit vielen edlen, hochherzig strebenden Mitschwestern zusammen sein. Ich habe ein Vielfaches mehr erhalten, als ich verlassen habe. Gott lässt sich an Großmut nicht übertreffen. Seit 38 Jahren darf ich nun schon als Schönstätter Marienschwester mein Leben Gott und der Gottesmutter schenken und dem Schönstattwerk dienen. Es ist für mich eine große Freude, dass ich dies als Gemeindereferentin tun darf. Ich möchte den Kindern weitergeben, was auch mir geschenkt worden ist: das Geschenk des Glaubens an Gott und die Freude daran, sein Leben mit Christus zu leben. Ich bin gerne Schönstätter Marienschwester. Dankbar darf ich mit den Worten der Gottesmutter bekennen:
Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter … (Lk 1,46 -48)
Schwester M. Lucijane gab dieses Zeugnis auf dem Kerbschen Berg in Dingelstädt / Eichsfeld, Deutschland im Rahmen der jährlichen Fastenpredigten 2018