21.01.2021

Interview mit Sr. Marie-Gudrun Glückert, Rumänien

Pressebüro der Diözese Temeswar, Rumänien

Seit ca. einem Jahr hat unsere rumänische Schwesternstation in Sr. Marie-Gudrun eine gute Verstärkung erhalten. In einem bereits veröffentlichten Interview gibt sie uns Einblick, wie es ihr in einem anderen europäischen Land so geht.

Sr. Marie-Gudrun, was bewegte Sie, sich für Rumänien zu entscheiden und nach Temeswar in die gleichnamige Diözese zu kommen?

 Seit meiner Ablösung als Provinzoberin habe ich jeden Tag für Rumänien gebetet, damit sich im Blick auf die Gründung einer Niederlassung bald eine Lösung ergibt. Die Zukunft Rumäniens hat mich also von innen her bewegt und ich habe das Anliegen so „als Kind meines Herzens“ mitgetragen.

Deshalb war meine Freude groß, als im Frühjahr 2019 die erste Niederlassung mit drei Schwestern in Temeswar gegründet wurde.

Im Frühsommer des gleichen Jahres brachte „der Engel des Herrn“ eine neue „Botschaft“ für mich. Es war die Anfrage, ob ich zur Mithilfe und Unterstützung der Schwestern in Temeswar nach Rumänien gehen könnte. Bei aller Verbundenheit mit Rumänien hätte ich dennoch nicht an einen konkreten Einsatz vor Ort gedacht.

Doch, da kam mir wieder „mein Satz“ in den Sinn:

„Das Wichtigste ist, immer dort zu sein, wo Gott uns haben will.“

Unser Gründer, Pater Kentenich, hat einmal zu einer Schwester gesagt: „Der Segen Gottes erreicht Sie jetzt dort, wohin Sie gehen sollen.“ Also nicht da, wo ich gerne bleiben möchte, wenn es nicht Gottes Wille ist.

Obwohl es für mich keine Frage war, zum Willen Gottes ja zu sagen, gab es doch eine Zeit des Abwägens, des Für und Wider, vor allem auch im Blick auf mein schon fortgeschrittenes Alter.

Ausschlaggebend, dass ich mich für Rumänien entschieden habe, war die Tatsache, dass ich schon eine Beziehung zu diesem Land hatte und dass ich die Schwestern, die dort sind, kenne. Auch die Tatsache, dass sich diese Schwestern über mein Kommen freuen würden, hat mich motiviert und mir den Schritt leichter gemacht.

Begegneten Sie in Deutschland Menschen, die aus dem Banat stammen und ausgewandert sind? Was wussten Sie über das Banat, über Temeswar, bevor Sie nach hier gekommen sind?

In Deutschland habe ich keine Erfahrungen mit Menschen gemacht, die aus dem Banat stammten. Mir war nur bekannt, dass in der Nähe meiner Heimatstadt Schweinfurt in einem Stadtteil Menschen wohnten, die aus dem Banat oder aus der Batschka stammten. Sie pflegten zum Teil ihre Traditionen aus der alten Heimat und ich hatte den Eindruck, die gemeinsame Herkunft schafft einen gewissen Zusammenhalt.

Sie sind schon seit einem Jahr in Temeswar: Welche Erfahrungen haben Sie hier im Laufe dieses Jahres gemacht?

Eine sehr positive Erfahrung war zu Beginn meines Hierseins das Erlebnis der Hauseinweihung. Dass der Diözesanbischof, Bischof Josef Pal, und viele Priester daran teilnahmen, hat den Eindruck vermittelt, dass dieses Haus eine Bedeutung haben wird. Die liturgische Feier, die von Mitgliedern aus der Bewegung mitgestaltet wurde und die Mehrsprachigkeit schuf die Atmosphäre einer Völkerfamilie, die sich um einen Mittelpunkt schart.

Eine besondere Erfahrung“ bescherte“ mir die Corona-Pandemie:

Zum ersten Mal im Leben wurde ich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Altersbedingt, weil behördlich verordnet, durfte ich nur zwei Stunden täglich – mit schriftlichem Nachweis – nach draußen. Zum Glück gibt es um unser Haus ein Stück Garten, wenigstens etwas Natur im Häusermeer.

Als großes Geschenk durften wir in dieser Zeit unsere kleine Hauskapelle erleben. Sie ist der geistige Mittelpunkt unseres Hauses, eine Oase. Hier beginnen und beenden wir unseren Tag. Hier bringen wir unsere Gebetsanliegen und die Sorgen vieler Menschen vor den Herrn und seine heilige Mutter. Hier kommen wir zu innerer Ruhe und Geborgenheit.  Dass wir in den Wochen der Corona-Zeit, als keine Gottesdienste in Kirchen möglich waren, fast täglich eine heilige Messe feiern konnten, war ein Geschenk, das uns der liebe Gott machte.

Diese Wochen der äußeren Kontaktbeschränkungen nutzten wir als Gemeinschaft für kreative Tätigkeiten in Haus und Garten und hatten viel Freude dabei.

In dieser Zeit begann ich auch, mich mit der rumänischen Sprache zu beschäftigen. Dafür stellte sich eine alleinstehende pensionierte Frau zur Verfügung. Der Unterricht erfolgte über Telefon und wurde in den weiteren Monaten fortgesetzt. Das Erlernen einer Fremdsprache im fortgeschrittenen Alter ist nicht leicht, das merke ich immer wieder. Ich bewundere die Geduld meiner „Lehrerin“.  Es weckt aber auch das Verständnis für Mitschwestern oder andere Menschen, die die deutsche Sprache erlernen mussten. Was mich motivierte, Rumänisch wenigstens anfanghaft zu lernen, ist die Erfahrung, die ich immer wieder im Alltag mache: Man ist oft hilflos, wenn man sich nicht verständigen kann, z. B. beim Einkaufen, bei Unterhaltungen etc. Es vertieft die Erkenntnis: Wenn ich in einem fremden Land bin, muss ich wenigstens versuchen, die Menschen dort sprachlich zu verstehen. Manchmal helfen schon einfache Worte eines Grußes, ein „Bitte“, ein „Danke“, um freundlichen Kontakt aufzunehmen.

Als Fazit meiner Erfahrungen darf ich sagen, dass mir der Aufenthalt in Rumänien in diesem ersten Jahr eine gewisse Weite meines Lebenshorizontes geschenkt hat und dass das Älterwerden Chancen für neue Perspektiven, neue Lebensfreude und noch einen gewissen Hauch an jugendlicher Beschwingtheit haben kann.

Es ist auch schön, noch eine Aufgabe erfüllen zu können, die dazu beiträgt, dass innerlich und äußerlich etwas wachsen kann. Ich bin dankbar, dass ich mit meinen Kräften helfen kann, dass die Schönstattbewegung in Rumänien zum Segen für die Diözese Temeswar und für das ganze Land fruchtbar wird.

Wie erleben Sie die Mehrsprachigkeit der Diözese Temeswar und die Mannigfaltigkeit der Ethnien, Völkerschaften und Traditionen unseres Bistums?

Die Mehrsprachigkeit gibt der Diözese eine Lebendigkeit und Vielfalt. Eigentlich ist dieses ein „Modell“, ein Vorbild für Europa. Wo man sich in mehreren Sprachen verständigen kann, gelingt ein besseres Miteinander, wächst Verständnis füreinander und dies wirkt sich kulturbildend aus. Man toleriert sich gegenseitig leichter, wertet die Andersartigkeit. Die verschiedenen Traditionen ergänzen einander und lassen die „Schätze“ der anderen entdecken.

Vielen herzlichen Dank, Sr. Marie-Gudrun!

 

Links mit weiteren Informationen:
– Deutsch
– Ungarisch
– Rumänisch