In bemerkenswerter geistiger Frische konnte
Schwester M. Erintrud Thomé
ihren hundertsten Geburtstag feiern. Schwester M. Erintrud wurde am 7. März 1921 in Düsseldorf-Benrath geboren. Nach der schulischen Ausbildung hat sie zunächst in einem Büro gearbeitet.
„Ich bin von Gott geführt.“
Ihren ersten Kontakt zur Schönstattfamilie hatte sie 1942. „Eigentlich wollte ich nach Kevelaer fahren, meine Mutter meinte aber, ich solle lieber nach Vallendar pilgern, weil dort schon meine Schwester gearbeitet hat“, so die Jubilarin. Aus diesem ungeplanten Kurzbesuch wurde schließlich eine geplante Liebes- und Lebensbeziehung.
Sie habe die Entscheidung nie bereut, meint Schwester M. Erintrud. Bei Schönstatt eingetreten ist sie 1944. Als besonderes Ereignis schildert sie, dass sie am 20. Mai 1945 die Rückkehr des Schönstatt-Gründers Pater Kentenich aus dem Konzentrationslager erleben durfte.
„Das kann ich nicht vergessen,
ich denke da immer mit Freude dran“, so die Jubilarin. Endgültig band sie sich 1953 an die Schönstätter Marienschwestern.
Sie begann dann in Stuttgart eine Ausbildung zur Kindergärtnerin, später auch als Jugendleiterin und 1948 als Erzieherin. Danach war sie in verschiedenen Einrichtungen tätig, zum Beispiel in Westheim im Sauerland in einem Modellkindergarten. Sie erinnert sich: „Damals kamen die Kinder mit drei Jahren zu uns. Ich fand es wichtig, dass die Kinder in den ersten Jahren bei den Eltern aufwuchsen“.
Weitere Arbeitsstätten waren Duisburg, Tübingen, Krauchenwies bei Sigmaringen in Schwaben, Bliesheim und das Schönstatt-Zentrum in Essen-Kray. Als Erzieherin hat Schwester M. Erintrud bis zu ihrem 70. Lebensjahr gearbeitet. Aber auch „im Ruhestand“ in Borken legt sie die Hände nicht in den Schoß. Jetzt, mit hundert Jahren, lebt sie nicht im Altenheim, sondern macht sich nützlich, wo sie kann. Sie interessiert sich für alles, was um sie herum vorgeht, ob es das Haus ist oder die Welt. Dabei kommt ihr zugute, dass sie als Jugendliche Schreibmaschine erlernt hat. Heute nutzt sie den Computer, um ihre Erinnerungen niederzuschreiben. (Quelle: Gehling, Borkener Zeitung)
Heute dürfen wir in ihre Memoiren hinein schauen:
Die unentwegte Führung Gottes tagtäglich zu erleben und dafür danken zu dürfen, ist für mich ein sehr großes Geschenk, dafür ist mein Herz zu klein.
Meine Kindheit und Jugendzeit war gekennzeichnet durch die Hinführung zum Dreifaltigen Gott durch meine Eltern, besonders durch meinen Vater. Gern denke ich an meine Erstkommunion zurück. Das selbstständige Taufgelöbnis sprach ich laut und innerlich sicher. Es war ein tiefes inneres Erlebnis von Gott, dem Himmlischen Vater. Vater und Mutter und meine Geschwister waren mein Ein und Alles.
Ja, früher waren wir mit 21 Jahren Erwachsene. Und da lernte ich Schönstatt kennen.
Auf dem Weg zum Urheiligtum in Schönstatt hörte ich die Worte meiner Schwester:
„Ziehe deine Schuhe aus, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliges Land.“
Am 2. Oktober 1944 war mein Eintrittstag. In der Wildburg in Vallendar war das Postulat. Und schon dort lernte ich die Schwestern kennen, und ich durfte erleben, dass der Ort ‚heiliges Land’ ist.
Mein Staunen und meine innere Ergriffenheit steigerten sich, als ich im Vornoviziat die Häuser in Schönstatt besuchen durfte und in mich aufnahm, wie sich die Schwestern auf die Heimkehr des Gründers des Schönstattwerkes aus dem KZ Dachau freuten und sich auch innerlich und äußerlich vorbereiteten.
Ja, und dann mein erstes nicht geahntes Familienerlebnis, als der Gründer aus dem KZ Dachau nach Schönstatt zurückkehrte. Die Freude des Wiedersehens war enorm und ist nicht zu beschreiben. Ich konnte nur staunen und mich mit allen freuen.
In der ersten Woche nach seiner Rückkehr bereitete der Gründer des großen Schönstattwerkes 17 junge Frauen – unseren Kurs – durch acht Vorträge auf die Einkleidung vor. Sie fand am 31. Mai 1945 in der Wildburg statt, unter Beteiligung vieler Schwestern, die ihre Einkleidung, bedingt durch die Kriegsverhältnisse, nicht so erleben durften.
Danken muss ich immer wieder, auch für alle Versetzungen. Ich lernte unsere Schwesternfamilie von vielen Seiten kennen, und ich lernte, mich daran zu freuen. Sie waren auch leidvoll und doch – dahinter stand der Vater im Himmel, der nur Gutes mit mir vorhat.
Es ist für mich nicht zu fassen: Am 07. März 2021 feierte ich meinen 100. Geburtstag!
Der Höhepunkt war die froh gestaltete heilige Messe: „O Herr, ich will dir singen, mein Loblied, Gott, dir weihn! Mein Gott, der mich zur Freiheit hat befreit! … dass neue Menschen werden, die frei und stark auf Erden, in Freuden und Beschwerden wie Christus sich gebärden …“
Dann kam das gemeinsame Frühstück. Im Refektor grüßte mich an meinem Platz eine Blütenplakette mit der Zahl 100. Wunderbar: ein Kranz mit vielen, vielen bunten Blüten besteckt. Ja, da konnte ich nur staunen!
Alle sangen mir ein frohes, extra gedichtetes Glückwunschlied. Die Schwestern der Provinzleitung und meine Oberin gratulierten mir und die frohen Gesichter aller sagten auch schon einen Glückwunsch. Es folgte ein Ständchen unserer Musikgruppe.
Wie lieb war das Musizieren bei Tisch. Ich spürte es deutlich, wie sehr sich meine Mitschwestern mit mir freuten, dass wir alle Gott als den Mächtigen und Gütigen erfahren durften.
Meine Verwandten kamen von Düsseldorf und Umgebung, also von weit her, für eine halbe Stunde, um mir zu gratulieren. Sie sangen im Lichthof vor der Cafeteria mehrere Lieder. Natürlich wurde der Spitzname aus meiner Jugend nicht ausgeklammert.
Und ich konnte nur staunen, mich tief freuen, dass ich um 14 Uhr
im Heiligtum eine gute Zeit ganz allein
war, Lieder singen und laut beten konnte. Mit meinen Kursschwestern, die alle schon im Himmel sind, habe ich den runden Geburtstag dort gefeiert und der Gottesmutter neu die Krone gereicht!
Der Tag verging sehr schnell mit dem Lesen der Glückwünsche und Grüße, mit vielen schönen Begegnungen, Erinnerungen und Gesprächen, die uns alle beschenkten.
Eine besondere Freude waren mir die Glückwünsche unserer indischen Schwestern. Für sie hatte ich mich von einer kostbaren „Vaterspur“ getrennt: meine im Kurs erarbeitete Krone für das MTA-Bild in meinem Hausheiligtum, die Pater Kentenich in Händen hielt und gesegnet hatte.
Als wir uns zum Festtagskaffee setzen wollten, hieß es, bleibt mal stehen. Unsere Küchenschwester brachte einen großen, liebevoll und persönlich dekorierten Kuchen! Unfassbar, aber wahr!
Am Ende dieses besonderen Tages gab es noch eine Überraschung für mich: Was war das? Trotz Schwierigkeiten beim Hören merkte ich: Da singt doch jemand? Es dauert immer etwas, bis ich es recht hören kann, was gebetet oder gesungen wird. Doch dann war es so weit! „Guten Abend, gute Nacht …“ Meine Mitschwestern sangen mir ein Abendlied. Es ist das Lied, das unseren Vater und Gründer am Vorabend seines Heimgangs, am 14. September 1968, begleitete. Und so steht auch für mich am Ende dieses Tages das Wort:
Heimwärts zum Vater geht unser Weg
In meinem Herzen jubelte es mit meinen Kursschwestern im Himmel und allen, die so freudig mit mir gefeiert haben: