19.04.2023

Gesunde Kindheit – ein Schatz fürs Leben

Schwester M. Ediane Batalin
Schönstatt Deutschland / Brasilien

Und nebenher: ein Pädagogik-Fernstudium

Mit großer Freude und Dankbarkeit habe ich im Dezember 2022 mein Pädagogik-Fernstudium nach acht Semestern intensiven Lernens abgeschlossen. Da es ein Fernstudium war, konnte ich es neben meinen Aufgaben in der Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern und beim Lichtzeichen e.V. [1] durchführen.

Der rote Faden durch das Studium

Das Thema für meine Diplomarbeit war schon vor Beginn des Studiums klar. Ich wollte über das schreiben, was uns vom Lebensbeginn an emotional mit anderen Menschen, mit Orten und Werten verbindet, und wie uns die positive Entfaltung dieser Beziehungen selbstbewusst und stark werden lässt. Wissenschaftlich formuliert: über die affektiven Bindungen und ihre Bedeutung für die ganzheitliche Entwicklung des Kindes in der frühen Kindheit. Dieser Wunsch war entstanden durch Gespräche mit Jugendlichen und Erwachsenen, durch Beobachtungen und Erfahrungen, die ich im Laufe der Jahre in der Arbeit mit Kindern in einer Kindertagesstätte in Brasilien – meinem Heimatland – und während des Praktikums beim Lichtzeichen e.V. gewonnen hatte.

Das Ziel: organische Entwicklung

Richtungweisend war für mich ein Wort von Pater Josef Kentenich:

„Normalerweise sollte ein Kind in einem vollständigen Organismus von Bindungen aufwachsen. Es muss in Verbindung mit Orten, Menschen und Ideen aufwachsen,“

um sich organisch zu entwickeln. Henri Wallon (1879–1962), französischer Psychologe, brachte es so auf den Punkt: „Entscheidend ist das Ganze, nicht die Teile.“ Daher gilt es, die Person in ihrer Ganzheit zu betrachten.

Was passiert, wenn tragende Beziehungen fehlen

Wenn wir die familiäre Situation eines Großteils unserer Kinder und Schüler weltweit anschauen, können wir feststellen, dass sie von klein auf mit schmerzhaften und oft traumatischen Erfahrungen konfrontiert sind. Sie machen es vielfach unmöglich, die frühe Kindheit als eine unbeschwerte und glückliche Zeit zu erleben, die reich an Entdeckungen und Lernen ist. Zu diesen schmerzhaften Erfahrungen gehören: Verlust (Tod oder Trennung/Scheidung der Eltern); Ablehnung und Misshandlung; Gleichgültigkeit und Vernachlässigung durch die Eltern und/oder Betreuungspersonen; die Überlastung durch emotionalen Stress und schließlich das Fehlen positiver affektiver Bindungen in den ersten Lebensjahren.

Sicherheit, Selbstvertrauen und Wertschätzung

Das Ziel meiner Arbeit war es zu erkennen, wie Bindungs-Prozesse zwischen Mutter-Kind, Kind-Bindungsperson ablaufen, welche Beiträge diese Bindungen für die ganzheitliche Entwicklung des Kindes leisten und welche Folgen ihr Fehlen haben können. Das konnte ich ausgiebig studieren und beobachten während meines Praktikums im Lichtzeichen e.V. mit seinen vielfältigen Kontakten.

Es war klar ersichtlich, dass die ganzheitliche Entwicklung des Kindes im Alter von 0 bis 6 Jahren in gewisser Weise von der Qualität der in dieser Lebensphase aufgebauten affektiven Bindungen abhängt. Durch sie erst erhält das Kind die Sicherheit, das Selbstvertrauen und die Wertschätzung, die es ihm ermöglichen, sich autonom und frei zu bewegen, die Umgebung, in der es lebt, zu erkunden, sich mit Menschen auseinanderzusetzen und verschiedenen Situationen positiv zu begegnen.

Ein tieferes Verstehen für die Entwicklung des Menschen

Erziehen heißt, dem Leben, das uns anvertraut ist, zu dienen, es zu pflegen und zu fördern. Deshalb ist es notwendig, die Prozesse, die mit der menschlichen Entwicklung zusammenhängen, zum Wohl der Gesellschaft zu kennen, zu reflektieren und zu vertiefen.

Meine Ausbildung hat mir ein tieferes Verstehen für die Entwicklung des Menschen und für die Defizite geschenkt, unter denen viele leiden. Die Arbeit mit schwangeren Frauen in prekären Lebenssituationen, mit jungen Müttern und Kindern macht es mir möglich, meine Erfahrungen in positiver Weise einzubringen. Dafür bin ich von Herzen dankbar.

 „Der Mensch muss alle Fäden seiner Seele auf der natürlichen Ebene irgendwie binden.
Wenn er nicht gebunden ist, oder wenn ihm die Bindung fehlt, erleidet er einen Bruch in seiner Seele.
Der sich normal entwickelnde Mensch braucht einen Bindungsorganismus:
Er muss an Menschen, Orte und Ideen gebunden sein.“       (Pater Josef Kentenich)

 

[1] Mehr Information: Lichtzeichen e.V., www.lichtzeichen.org