Ein Kreis schließt sich
Nach über 45 Jahren bin ich nun wieder tätig im Beruf der Krankenschwester, den ich vor meinem Eintritt in die Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern erlernt und einige Jahre ausgeübt habe.
Immer wieder konnte ich seitdem Erfahrungen sammeln, die viel Selbständigkeit und Selbstentscheidung forderten:
– im Umgang mit Patienten und ihren Angehörigen, die in die Pflege einbezogen waren;
– als Krankenschwester auf der Altenstation unserer Schwestern in Dietershausen in der Sorge für unsere älteren und kranken Mitschwestern;
– im Fachkreis der Krankenschwestern, der für den Austausch und die Fortbildung der Krankenschwestern in unserer Gemeinschaft verantwortlich ist.
So blieb ich aktuell auf dem Laufenden und bekam gleichzeitig die rapiden Veränderungen im Krankenpflegeberuf mit.
Echte Herausforderungen
Seit Februar 2018 lebe ich als Externe in Hanau – in der Stadt, die durch den furchtbaren Terroranschlag am 19.Februar 2020 weithin bekannt wurde.
Das St. Vinzenz-Krankenhaus hat eine zertifizierte Fachabteilung für Geriatrie und Alterstraumatologie, dort bin ich seitdem tätig. Diese Station ist eine Akutstation mit angeschlossenem Rehabilitationszentrum. Wir betreuen 64 Patienten in einem Team von Physio- und Ergotherapeuten sowie fachlich ausgebildeten Ärzten und Pflegepersonal. Es wird viel Wert gelegt auf Professionalität, Selbständigkeit und Zusammenarbeit. Geriatrie heißt: Wir betreuen ältere Patienten von 70 bis über 90 Jahren.
Alle Fachrichtungen des Krankenhauses sind auf unserer Station vertreten: Unfallchirurgie, Alterstraumatologie sowie innere Medizin. Auch Palliativ- und Intensivpflege ist mit einbezogen, jedoch meist nur übergangsweise bis zur Verlegung in ein dem Krankenhaus angeschlossenes Hospiz bzw. auf eine andere Pflegestation.
Die Einarbeitungsphase war für mich eine echte Herausforderung. Vieles war für mich völlig neu und unbekannt, da gerade die Medizin ungeheure Fortschritte gemacht hat. Außerdem ist die Arbeit auf der Geriatrie sehr auf therapeutische Pflege ausgerichtet, die ich auch neu lernen musste. Das schnelle Arbeitstempo, das geforderte Fachwissen und die Dokumentation hat mich zu Anfang viel Kraft gekostet. Mittlerweile bin ich selbständig geworden, dank meiner Stationsschwester, die mich mit sehr viel Verständnis und Geduld in der Einarbeitungszeit begleitet hat, mit vielen Gesprächen, Feedbacks und fachlicher Unterstützung.
Ich habe die Verantwortung entweder für einen Bereich der Station oder für die ganze Schicht. Mit mir arbeiten dann zwei bis drei Pflegehelfer bzw. Schüler im Stationsbereich. Somit bin ich neben der Pflege viel im Stationsstützpunkt. Meine Arbeitszeit ist hauptsächlich Spätdienst.
Ein Großteil der Patienten ist demenziell erkrankt, ist unruhig, braucht Beobachtung und Einfühlung. Da wirken gute Worte und Zuwendung oft mehr als Medikamente. Immer ist volle Konzentration gefragt, damit keine Fehler passieren. Die Patienten sind sehr dankbar, manchmal auch anspruchsvoll, wie es eben heute überall ist.
Aus meinem Herzensheiligtum zu den Patienten gehen
Weil ich in Zivilkleidung bin, sieht man mir auf den ersten Blick nicht an, dass ich Schönstätter Marienschwester bin. Aber manche Patienten sehen das Kreuz, das ich auf meinem Kasack trage und sprechen mich darauf an. Oft braucht es ein Zuhören, Verständnis zeigen, ein aufmunterndes Wort sagen und einfach da zu sein, sich nicht anmerken zu lassen, dass man im Stress ist, was wirklich manchmal Disziplin braucht.
Ich versuche immer, aus meinem Herzensheiligtum heraus zu den Patienten zu gehen, bete auf dem Weg ins Patientenzimmer die kleine Weihe, und jedes Klingelzeichen ist für mich „Heimkehrzeit“ zu Gott, denn man braucht Erinnerungszeichen, dass man nicht nur so „drauf los lebt“. Dass dies bemerkt wird, hat mir das Wort unseres Chefarztes gezeigt, als er zu mir sagte: „Schwester Johanna, wo nehmen Sie nur diese Ruhe her! Was Sie machen, ist alles sehr professionell!“ Eine solche Aussage fordert natürlich heraus!
Meine Arbeitskollegen wissen, dass ich Schönstätter Marienschwester bin, und ich habe schon oft Gespräche darüber geführt, wie ich dazu gekommen bin und wie wir als solche leben. Manche Kollegen sind nicht getauft oder das Religiöse ist für sie sehr weit weg. Manche Kollegen haben schon geäußert, dass ich für sie beten soll „denn das tust du ja bestimmt“.
Begegnungen mit IHM
Schön ist es, dass noch einige Barmherzige Schwestern im Haus sind, die mit mir ein religiöses Zeichen setzen können. Die Patienten werden auf Wunsch in die Kapelle zum Gottesdienst gebracht bzw. können im Krankenzimmer die heilige Kommunion empfangen. Da gibt es oft für mich Begegnungen auf dem Flur, wenn der Heiland kommt. Das ist für mich immer ein besonders schöner Moment, und ich spüre, dass ER da ist.
Ich bin sehr dankbar und froh, dass ich – was ich nie gedacht hätte – wieder in meinem erlernten Beruf arbeiten kann. Und ich stelle immer wieder fest, dass es ein wunderbarer Beruf ist, den ich ausüben darf.