im Jubiläumsjahr der Frauenbewegung
Die Arbeit in der Pilgerzentrale in Schönstatt ist immer wieder von Überraschungen geprägt.
Ein besonderes Erlebnis war in den letzten Wochen der Besuch von Familie Gerlach und ihren Angehörigen. Diese Familie ist verwandt mit Marie Christmann, der verstorbenen Schwester M. Magdalena, und ihrer Cousine Gertraud von Bullion.
Familie Gerlach hatte den Tag bewusst am Wallfahrtsort Schönstatt geplant. Dass aber gerade vor 100 Jahren durch diese zwei Frauen in Schönstatt die Frauenbewegung begann, war der Familie nicht bewusst. So wurde der Besuch überraschend zu einem Jubiläumstreffen.
Hier ein kleiner geschichtlicher Einblick: Als freiwillige Rote-Kreuz-Schwester im Ersten Weltkrieg lernt Gertraud von Bullion durch den Pallottinerstudenten Franz-Xaver Salzhuber und seine Theologengruppe die Schönstatt-Spiritualität kennen und nimmt per Post Kontakt mit dem Gründer Pater Josef Kentenich auf.
Im Frühjahr 1920 wird sie als erste Frau in die Apostolische Liga Schönstatts aufgenommen. Im Herbst gewinnt sie ihre Cousine Marie Christmann dafür. Beide erstreben ein Leben der Ganzhingabe im Apostolischen Bund. Am 8. Dezember 1920 weihen sich Gertraud von Bullion und Marie Christmann in einer privaten Weihe als erste Frauen im Apostolischen Bund der Gottesmutter.
Die Begrüßungsrunde mit Familie Gerlach fand auf Berg Schönstatt auf dem Kirchplatz der Anbetungskirche statt. Nacheinander kamen die Familienmitglieder dazu. Es gab ein herzliches Willkommen für alle, bei strahlendem Sonnenschein.
Frau Gerlach erklärte mir die verwandtschaftlichen Verhältnisse: „Mein Opa Julius war der Bruder von Marie Magdalena. Er war es auch, der Gertraud einen Heiratsantrag machte. Mein Vater Wolfgang, eines der Kinder von Julius, ist aus beruflichen Gründen nach Leverkusen gezogen. Marie Magdalena ist meine Großtante und Urgroßtante unserer Kinder. Ursprünglich war für diesen Tag gedacht, dass auch die Familienmitglieder aus Süddeutschland dazu kommen. Doch durch die Corona-Krise war das nicht möglich.“
In der Anbetungskirche hielt ich der Familie eine Führung. Sicher war auch ihre Groß- bzw. Urgroßtante Schw. M. Magdalena oft in dieser Kirche zum Gebet und zur hl. Messe.
Dort wurde damals auch das Requiem für sie gefeiert.
Nach dem Besuch am Grab von Pater Kentenich fuhren wir zum Schwestern-Friedhof und gingen zum Grab von Schw. M. Magdalena. Ich konnte dort kleine Zeugnisse über das Leben der Verstorbenen erzählen und auch den Text des Totenbildchens vorlesen.
Die Angehörigen hatten gar nicht damit gerechnet, so viel über ihre Großtante zu hören und waren berührt davon.
Gemeinsam beteten wir am Grab und dankten für das Leben von Schw. M. Magdalena.
Die Entstehungsgeschichte aus ganz persönlicher Perspektive
Nach dem Mittagessen im Pilgerhaus wollte Familie Gerlach die Entstehungsgeschichte Schönstatts kennenlernen. Wir versammelten uns in der Nähe des Urheiligtums und ich erzählte Ihnen aus der damaligen Zeit. Dabei konnte ich kleine Begegnungen einbringen, die Marie Christmann und Gertraud von Bullion damals bei den ersten Frauentagungen erlebt haben.
Gertraud von Bullion bedrängte den Gründer, Pater Kentenich, eine Frauentagung in Schönstatt zu halten. Seine Mitarbeiter waren der Meinung, das „Alte Haus“ sei aufgrund seiner Einfachheit kein Tagungsort für Frauen. Gertraud vertrat die Auffassung, sie schlafen lieber auf Strohsäcken, als dass sie nicht kommen könnten.
Im August 1921 kam diese Frauentagung zustande. Gertraud legte selber Hand an, das Haus ein wenig herzurichten. Die Holzhocker vor den Betten wurden zusammengetragen für die Vorträge. Man sah Gertraud vor der Tür sitzen und Kartoffeln schälen. Mit einem Bollerwagen holte sie Teilnehmerinnen am Bahnhof ab, um ihnen den Transport der Koffer zu erleichtern.
Es beschenkte mich selber, unter diesem Blickwinkel die Führung zu halten. Ich konnte der Familie zeigen, wie ihre Angehörigen hier gelebt und gewirkt haben und freute mich an den positiven Reaktionen.
Ein kleines Haus für eine große Frau
Der Abschluss des Schönstattaufenthaltes war ein Besuch im Gertraud-von-Bullion-Haus.
Vor allem die vielen alten Familienbilder und die Fotos von den Frauentreffen in Schönstatt waren für Familie Gerlach sehr interessant. Aber nicht nur das, sondern auch der Lebensinhalt von Gertraud von Bullion beeindruckte die Angehörigen, den sie in das Wort fasste: „Serviam – Dienen“.
Rundherum war es ein echtes Familientreffen in Schönstatt geworden. Mit großer Dankbarkeit fuhr Familie Gerlach wieder nach Hause. Einige Tage später schreibt Frau Gerlach: „Wir denken noch immerzu an diesen schönen Tag in Schönstatt. Wir waren sehr angetan von Ihrem liebevollen, herzlichen Wesen und der Begabung, genau das zu erzählen, was uns wichtig war. Unsere Kinder waren sehr begeistert, und das hat meine Schwester und mich sehr froh gemacht, denn der christliche Glaube ist uns sehr wichtig, und es ist in der heutigen Zeit schwierig geworden, diesen zu vermitteln.“