16.11.2021

Eine Einladung zum Geburtstag

Schw. M. Andrea Lisdat

Dieser Tage erreichte mich ein Brief der Pfarrei St. Kunibert in Gymnich. Schon beim Öffnen des Briefes wusste ich: Es ist die alljährliche Einladung zum Geburtstag von Pater Kentenich. Tatsächlich, am 16. November 2021 feiern wir schon den 136. Geburtstag von Pater Josef Kentenich! Eine Teilnahme an der Feier ist mir leider nicht möglich, aber warum leben wir im 21. Jahrhundert?! Der Brief regt mich an zu einem

digitalen Besuch in Gymnich

Als Schönstätter Marienschwester bin ich Pater Kentenich sehr verbunden. Er ist der Gründer unserer Gemeinschaft. Im Laufe meines Lebens habe ich vieles von ihm gelesen und in mich aufgenommen. Sein Charisma fasziniert mich immer neu.  Die Veränderungen unserer Zeit und die großen Anliegen der Menschen haben ihn bewegt. Er suchte nach Antworten auf drängende Zeitfragen.

Ein unscheinbares Haus

Am Anfang des Lebensweges von Pater Kentenich steht der kleine Ort Gymnich bei Erftstadt nahe Köln. Hier wird Josef Kentenich am 16. November 1885 geboren. Seine Mutter, Katharina Kentenich, lebt im Haus ihrer Eltern. Was mag Josef Kentenich hier alles erlebt haben?

Das Geburtshaus am Kunibertusplatz in Gymnich ist ein sprechender Begegnungsort. Es wird vom Förderverein „Geburtshaus Pater Joseph Kentenich“ mit viel Engagement betreut.

Auf dem Foto ist das unscheinbare Wohnhaus schon beflaggt und geschmückt. Der Festtag wird also bereits vorbereitet!

Eine schlichte Dachkammer

Das Haus ist nicht groß, ganz im Stil der damaligen Zeit gebaut und eingerichtet.

Ziel meines Rundgangs ist ein kleiner, enger Raum im ersten Stock. Die schlichte Dachkammer ist der Geburtsort Josef Kentenichs.

Die Wohnverhältnisse damals entsprechen so gar nicht unserem heutigen Lebensgefühl von Weite, Freiheit und Entfaltung.

Das Zimmer ist in den letzten Jahrzehnten mit Exponaten wieder hergerichtet worden. Die Einrichtung hilft mir, mich in die Ereignisse der Geburt und Kinderzeit von Pater Kentenich einzufühlen. Hier hat ein großes Leben seinen unspektakulären Anfang genommen.

Ein lockender Anziehungspunkt

St. Kunibert in Gymnich: Diese Kirche mit dem markanten Turm hat schon den Jungen Josef Kentenich angezogen. Mit seinen Spielkameraden wagte er sich bis in die höchste Spitze, um das alte, weihevolle Gemäuer zu erkunden. Als „Verfolger“ der Jungenclique auf die Spur kamen, suchten sie das Weite und entkamen.

Das macht Pater Kentenich für mich so sympathisch: Auch Menschen mit einem großen Gottesauftrag von internationaler Reichweite waren als Kinder echte Lausbuben und hatten originelle Streiche im Sinn!

Ein Zeichen der Liebe Gottes

Nun möchte ich noch einen Besuch in der Kirche machen. Gleich am Eingang stehe ich vor dem Taufbecken, das mich an ein besonderes Ereignis im Leben des kleinen Josef Kentenich erinnert.

An diesem Taufbrunnen, der auch heute noch genutzt wird, empfing Pater Kentenich am 19. November 1885 die Taufe und erhielt die Namen Peter Josef. Hier wurde er in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen.

Aus der Liebe und Nähe Gottes gestaltete er sein Leben. Später, als Gründer der Schönstattbewegung, erschloss er vielen Menschen diesen Taufbund als Liebesbund. Er zeigte Wege, das persönliche Leben aus dieser Wirklichkeit zu gestalten. Er verwies auf Maria, die uns als Mutter Gottes tiefer zu Gott führt.

Mit welcher Begeisterung konnte er darüber sprechen! Mir fallen die zahlreichen Audio-Dateien ein, die wir von Pater Kentenich haben. Höre ich einen Vortrag von ihm, fällt mir sofort der rheinische Klang seiner Aussprache auf.

 Die Verbundenheit mit seiner Heimat

Pater Kentenich war ein echter Rheinländer. Er liebte seine Heimat.

Wie würde er wohl reagieren, wenn er heute die Ortschaften und Städte seiner Umgebung besuchte und das Ausmaß der Flutkatastrophe vom Sommer sehen würde? Zuerst würde er wohl echt menschlich mitfühlen und den Betroffenen Trost und Mut zusprechen.

Vielleicht so, wie nach Kriegsende und seiner Entlassung aus dem KZ Dachau im Mai 1945 bei der Bevölkerung in Ennabeuren auf der schwäbischen Alb, wo er Station machte, ehe er nach Schönstatt zurückfahren konnte:

„Wir befinden uns augenblicklich in einer schwierigen Lage … Geht es uns nicht ähnlich wie den Aposteln auf dem Meer? Die Wogen werden immer höher, das Schiff schwankt immer heftiger; sie haben alle Angst … Als die Not am größten scheint, da wecken sie Jesus … (Er) gebietet dem Sturm und dem Meer … Warum zweifelt ihr? … Ihr wisst doch, dass immer nur das geschehen kann, was von oben zugelassen wird … mein Losungswort in der Zeit, als ich in Dachau war … Ja, die Gottesmutter hilft. Wir sagen ihr: Zeige, dass du Mutter bist und ich will zeigen, dass ich dein Kind bin … Vertrauen wir also felsenfest auf die Vorsehung (Gottes)!“ (Auszug aus der Ansprache vom 22. April 1945 in Ennabeuren)

Mein Besuch und kleiner Rundgang durch Gymnich endet mit einer Bitte an das Geburtstagkind, Pater Kentenich: Gib uns von deinem Mut und deiner Zuversicht, dass Gott auch heute wirkt und Möglichkeiten findet, wo wir keinen Ausweg mehr sehen. Und sei den vielen von Leid betroffenen Menschen in deiner Heimat ein wirksamer Fürsprecher bei Gott!

(Fotos aus Gymnich von Ludwig Schlömer, Gymnich, Clip von Schw. Francine-Marie Cooper)