von Schwester M. Christhild
„Endlich ist der große Tag gekommen:
100. Geburtstag von Schwester M. Christhild Feiereis!
Sie ist gesundheitlich zwar schon sehr hinfällig, aber es ist doch erstaunlich, was sie selbst noch tun kann, vor allem das Gehen mit dem Rollator. Damit hat sie noch ein wertvolles Stück Selbstständigkeit! Wenn man aus ihrem Leben weiß, dass sie mit etwa sechs Jahren Kinderlähmung hatte, so ist das eigentlich ein Wunder! Hätte ihre Mutter damals sich nicht so rechtzeitig bemüht um einen Arzt, der den kranken Fuß operieren konnte und so die Gehfähigkeit erhalten hat, hätte sie schon als Kind einen Rollstuhl gebraucht. Sie erzählte mir von einem älteren kranken Mädchen, das zu spät zum Arzt kam, dessen Mutter bitter weinte, weil man nicht mehr helfen konnte.“
So schreibt Schwester M. Elinor Grimm, Mitschwester von Schwester M. Christhild:
in Bamberg eine neue Heimat
100 Jahre – ein langes Leben. Schwester M. Christhild Feiereis wurde am 7. April 1922 in Glogau, Niederschlesien, in der Diözese Breslau geboren und am 16. April auf den Namen Valeria getauft. Der drei Jahre jüngere Bruder, Hubertus Feiereis, wurde ein bekannter Arzt in Leipzig. Der neun Jahre jüngere Bruder, Konrad Feiereis wurde Priester, Theologe und Philosophieprofessor in Erfurt.
Ab April 1928 besuchte Schwester M. Christhild die katholische Volksschule und anschließend sechs Jahre lang das städtische Gymnasium für Mädchen.
Gut zwei Jahre lang arbeitete sie nach der Krankenschwestern-Ausbildung an der Kinderklinik in Leipzig als Säuglings- und Kinderkrankenschwester. Nach Übergabe der Säuglingsfürsorge an die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) wurde sie in der Fürsorge in Säuglings- und Entbindungsheimen sowie zum Bürodienst verpflichtet. 1945 wurde ihre Familie durch die Kriegswirren gezwungen zu fliehen und fand nach verschiedenen Stationen in Bamberg eine neue Heimat. Dort übernahm sie drei Jahre lang die Haushaltsführung ihres Vaters und den Bauernhaushalt der Wirtsleute, die sie aufgenommen hatten.
Wenn Du willst, dass ich Marienschwester werde …
In ihrer Jugendzeit nahm Schwester M. Christhild an einem Einkehrtag mit Herrn Pater Hagel SAC in Untermerzbach teil. Er gab ihr ein Büchlein über eine verstorbene Marienschwester zu lesen. So wuchs in ihr die Sehnsucht, einmal eine Marienschwester kennenlernen zu dürfen. Diese Gelegenheit ergab sich spontan beim Einkauf in Bamberg. Ihr war klar, das musste eine Marienschwester sein. Nach dieser Begegnung sagte sie dem lieben Gott: „Wenn Du willst, dass ich Marienschwester werde, dann lass mich dieser Schwester noch einmal begegnen, dann werde ich sie fragen, wie das gehen kann.“
So war es dann auch.
OP-Schwester mit Begeisterung, Engagement und gutem Organisationstalent
Am 7. April 1948 trat Schwester M. Christhild in Oberndorf, Diözese Rottenburg-Stuttgart, in unsere Gemeinschaft ein und begann damit den achtjährigen internen Ausbildungsweg. Bereits 1949 kam sie nach dem Noviziat wieder ins städtische Krankenhaus nach Oberndorf zurück und arbeitete dort erneut als Krankenschwester. Mit dem Beginn unserer Gemeinschaft 1953 in Rottweil wurde sie ins dortige Kreiskrankenhaus als OP-Schwester versetzt. Mit Begeisterung, Engagement und gutem Organisationstalent hat sie diese verantwortungsvolle Aufgabe 30 Jahre lang ausgeübt. Das ist umso erstaunlicher, wenn man von ihren Behinderungen an den Beinen durch die Kinderlähmung weiß, denn im Operationssaal muss man viel stehen.
Schwester M. Christhild diente in unserer Gemeinschaft auch als Oberin in Ulm und Rottweil. Im September 1993 führte sie ihr Lebensweg nach Nesselwang. Dort wurde das Schwesternwohnheim und Heiligtum gebaut, wo sie ab 1995 die erste Oberin wurde, bis zu ihrem 75. Lebensjahr 1997. So lange sie konnte, brachte sich Schwester M. Christhild weiter Jahr um Jahr auf der Filiale ein.
An Gottes Segen ist alles gelegen
Wir lassen noch einmal Schwester M. Elinor zu Wort kommen:
„Schwester M. Christhild ist noch täglich an den Nachrichten interessiert und lässt sich aus der Zeitung berichten. Durch die Schreckensnachrichten aus der Ukraine werden die Erinnerungen an die eigenen traumatischen Erlebnisse wieder wach. So zum Beispiel die Tatsache, dass der Arztbruder während des zweiten Weltkrieges auf einem Lazarettschiff den damaligen Marine-Arzt und späteren Chefarzt der Lübecker psychosomatischen Klinik Friedrich Curtius kennenlernte. Sie mussten im Eiswasser über sechs Stunden aushalten. Dr. Curtius versprach ihm, wenn sie überleben, dann holt er ihn nach Lübeck in seine Klinik.
Wie mag das jetzt und später den vielen Flüchtlingen, den Menschen in den Kriegsgebieten gehen? Wieviel Traumata gibt das erneut! Wieviel Leid! Dennoch dürfen wir heute danken und auch feiern.
Begonnen haben wir den 100. Geburtstag mit der Dankesmesse in der Frühe des 7. April 2022. Von Bekannten kam schon ein wunderschöner Blumenstrauß und eine Obsttorte mit der Aufschrift ‚Gottes Segen‘. Ja, daran ist alles gelegen! Es ist schön, dass Schwester M. Christhild sich von Herzen freuen kann, auch über ein gutes Wort, einen humorvollen Gruß, ein Blumensträußchen. Da kann sie oft ganz treffend antworten und strahlt über’s ganze Gesicht. Sie vergisst auch nie, sich zu bedanken und sie betet viel. Möge Gott ihr noch eine gesegnete Zeit schenken!“