Interview mit
Schwester Rita-Maria Alessi
– Teil 2 –
Schwester Rita-Maria Alessi gehört seit 54 Jahren zur Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern. Seit 45 Jahren lebt und wirkt sie im Wohnheim St. Josef in Weesen, einem Heim für erwachsene Frauen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, das seit 1946 den Schönstätter Marienschwestern gehört.
Auch heute ist die bereits 79-jährige noch ehrenamtlich im Wohnheim tätig; sie bietet wöchentlich eine Turnstunde an.
Die Fragen stellte Schwester M. Florence Harder:
Welche Situation war für dich die Herausforderndste?
Einmal mussten wir das ganze Wohnhaus notfallmässig evakuieren, weil der Berg oberhalb des Heims zu rutschen begann. Es war abends, die Bewohnerinnen waren bereits im Bett und wir sollten das Haus innerhalb von 15 Minuten verlassen. Das war unmöglich – aber wir haben es rechtzeitig geschafft und lebten dann neun Tage im Jugendzentrum in Quarten – improvisiert, ohne irgendwelche Einrichtung.
Und welches war dein schönstes Erlebnis?
Man glaubt es kaum, aber mein schönstes Erlebnis ist eine „Frucht” dieser Evakuierung, denn nach diesem Abenteuer kam uns die Idee, mit den Bewohnerinnen ein Lager zu machen. Der Aufwand für die erste Ferienwoche in Sachseln war enorm, aber hat sich mehr als gelohnt! Die Bewohnerinnen waren richtig ausgeglichen und zufrieden – und das Erlebnis hat die familienhafte Atmosphäre untereinander noch vertieft. Seither gibt es alle zwei Jahre ein solches Lager.
Sicher gab es auch schwierige Situationen innerhalb einzelner Wohngruppen, oder?
Besonders herausfordernd war jeweils, wenn in einer Wohngruppe eine Bewohnerin starb. Mit diesem Abschiednehmen war jeweils für alle ein Lern- und Reifungsprozess verbunden. Wenn in der Wohngruppe auf einmal jemand fehlt, muss sich die kleine Familie auch wieder neu finden.
Was hat dir in diesen Momenten Kraft gegeben?
Das Mitfeiern der Hl. Messe. Ich habe die Anliegen der Bewohnerinnen jeden Tag mit in die Heilige Messe genommen. Aus dieser halben Stunde habe ich viel Kraft geschöpft: neue Geduld, neues Verständnis. In Verbindung mit dem Heiland wurde mir auf verschiedene Situationen ein anderer Blick geschenkt. Überhaupt durfte ich erleben, dass mir Gott immer das schenkt, was ich brauche. Ich war nie allein.
Das ist die eine Kraftquelle. Eine andere ist unsere Gemeinschaft. Wir Schwestern leben von Anfang an hier im Haus. Wir haben – im Gegensatz zu den anderen Angestellten – nach dem Feierabend keinen Abstand zum Heim. Umso wichtiger ist es, dass wir innerhalb der Gemeinschaft einen guten Ausgleich haben. Und das hatten wir! In unseren Freistunden haben wir viel gesungen, gespielt und gelacht. Ich habe schon immer gern gespielt. Das war (und ist immer noch!) mein ganz natürlicher Ausgleich. Auch die Art, wie wir Feiertage gestalten, macht mir Freude.
Feiert ihr im Wohnheim auch Feste zusammen; wie zum Beispiel Weihnachten?
Wir Schwestern pflegen in den neun Tagen vor Weihnachten den Brauch der Herbergssuche. Einige Bewohnerinnen nehmen gern an diesem Angebot teil. Die Herbergssuche schafft nicht nur eine schöne adventliche Atmosphäre, sondern hilft auch, sich innerlich auf Weihnachten vorzubereiten.
Am Heiligabend selbst wird in den einzelnen Abteilungen gefeiert. Gerade an solchen Tagen wird Heimat erfahrbar – und es schafft Freude, wenn alle schön gekleidet sind, der Tisch schön gedeckt ist, wenn man gemeinsam singen kann, eine Geschichte vorgelesen wird und alle ein Geschenk bekommen.
Was würdest du auf jeden Fall wieder so machen, wenn du nochmals 20 wärst?
Ich würde auf jeden Fall wieder Marienschwester werden!
Warum?
Weil ich die Gottesmutter liebe. Und weil ich gern für andere da bin.
Und das kann ich als Marienschwester wunderbar:
Für andere da sein. Anderen dienen.
Fotos: Sr. M. Florence Harder, Quarten, Schweiz